Unser Konzept für nachhaltige Dorfentwicklung beschreibt, wie wir indigene Dorfgemeinschaften im peruanischen Amazonasgebiet auf der Grundlage der internationalen Indigenenrechte stärken.
Indigene Gemeinschaften brauchen keine kurzfristige Entwicklungshilfe, die versucht Symptome zu lindern. Um zu überleben, benötigen sie eine allumfassende, nachhaltige Entwicklungsstrategie, die die Ursachen von Ungerechtigkeit und Armut strategisch angeht.
Unsere Methodologie haben wir speziell für Peru entwickelt, wo die Rechte der indigenen Bevölkerung stärker geschützt sind als in Kenia. Sie ermöglicht es den Dorfgemeinschaften, ihre Rechte auszuüben, größtmögliche Selbstverwaltung zu errichten und ihre Ressourcen der kurzfristigen Ausbeutung zu entziehen, um sie verantwortungsbewusst selbst nutzen zu können. Hierzu befähigen wir die Dorfgemeinschaften auf der Grundlage nationalen und internationalen Rechts. Die Verantwortlichen dieses Entwicklungsprozesses sind die Gemeinschaften selbst. Sie kehren den sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Zerfallsprozess um in eine dynamische, partizipative und inklusive Entwicklung. So können die Dörfer und Gemeinschaften nicht nur überleben, sondern zu einem florierenden Gemeinwohl werden.
Unser Konzept für die nachhaltige Entwicklung indigener Gemeinschaften beruht auf Wissenstransfer, Coaching und Befähigung. Es wird von den Gemeinschaften selbst umgesetzt, wobei sie von unseren lokalen Teams begleitet werden. Unsere kollektive Entwicklungsstrategie besteht aus zehn Schritten, die dafür sorgen, dass Dörfer überleben können:
Zunächst müssen Vertrauen, Problembewusstsein, Selbstachtung und Identität aufgebaut werden. Das fördert den sozialen Zusammenhalt im Dorf und ermutigt die Menschen, sich bewusst mit unterschiedlichen Thematiken auseinanderzusetzen. So beginnen die Dorfbewohner:innen, sich über soziale, politische, ökologische, kulturelle und andere Angelegenheiten auszutauschen. Indem sie Isolation und Orientierungslosigkeit auf diese Weise überwinden, finden sie ihre Stimme und beginnen, ihre Dorfgemeinschaft von innen stark zu machen.
Die Dorfbewohner:innen machen sich die Lage ihrer Gemeinschaft bewusst und formulieren Antworten auf wichtige Fragen: Was können wir aus unserer Geschichte lernen? Was sind unsere Probleme und wie lösen wir Konflikte? Wer sind unsere Verbündeten, wer unsere Gegner? Was sind unsere Stärken und Schwächen? Wovon träumen wir? Wovor haben wir Angst? Wie können wir unseren größten Gefahren begegnen? Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für das weitere Vorgehen.
Die Dorfgemeinschaft schafft neue Strukturen. Um die aktive Teilhabe möglichst vieler Dorfbewohner:innen am Konsolidierungsprozess zu ermöglichen, richten sie Fachkomitees ein, die wie ein kleines Ministerium in Abstimmung mit dem gewählten Dorfvorstand und der Dorfversammlung die Verantwortung für einzelne Entwicklungsfelder wie zum Beispiel Dorfverfassung, Gesundheitsfürsorge, Bildung oder ökonomische Entwicklung übernehmen. Parallel übernehmen Jurist:innen die Vertretung der Gemeinschaften nach außen, die so ihre Eintragung bei staatlichen Stellen erreichen. Die Gemeinschaften erlangen die staatliche Anerkennung als juristische Person. Das ist eine Grundvoraussetzung für ihr Überleben.
Fachleute begleiten die Dörfer bei der Ausarbeitung einer Dorfverfassung, die alle Lebensbereiche regelt und die Funktion eines Grundgesetzes übernimmt, das die Gemeinschaft nach innen wie außen stark macht. Am Ende dieses komplexen, partizipativen Prozesses stehen die Prüfung der Satzung durch Fachanwälte und ihre offizielle Annahme durch die Dorfversammlung. Anschließend wird sie den Dorfbewohner:innen in den im Dorf gesprochenen Sprachen zugänglich gemacht und im Amtsregister eingetragen.
In ganz Peru sind wir gemeinsam mit unserer Partnerorganisation die einzige Einrichtung, die ein zeitgemäßes und den Erfordernissen nachhaltiger Entwicklung entsprechendes Format für indigene Dorfverfassungen anbietet, ohne die die Dörfer kaum eine Überlebenschance haben.
Die Territorialrechte indigener Gemeinschaften sind ein weiterer Schlüssel dazu, dass die Dörfer und ihre Bewohner:innen, ihre Kultur und ihr Lebensraum im Regenwald überleben können. Denn ohne ihr kollektives, angestammtes Land sterben die Dörfer: der Regenwald wird zerstört und die Menschen vertrieben. Die Herausforderung besteht darin, dass jedes Dorf seine Landrechte durch einen komplizierten Prozess nachweisen muss, den die Dörfer ohne Fachwissen und finanzielle Mittel von außen nicht meistern können. Die Grenzen ihres Landes müssen von hochspezialisierten Fachleuten vermessen und dann bei verschiedenen Behörden auf Provinz- und Bundesebene eingetragen werden. Wir finanzieren diesen langwierigen Prozess, begleiten ihn mit unseren Fachleuten und stellen den Gemeinschaften ein Anwaltsteam zur Verfügung. Das ist besonders wichtig, denn jedes Dorf kämpft mit unzähligen Attacken gegen sein Land. Es gibt Invasionen, Landschmuggel sowie die Eintragung und den Handel mit illegal im Dorfterritorium auf Außenstehende ausgestellten Landrechtstiteln. Gegen all das muss auch juristisch vorgegangen werden. Bislang gelang es uns, so bereits mehrere Zehntausend Hektar Regenwald der Dörfer zu retten.
Ein wissenschaftlich fundierter, auf sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Kriterien beruhender Raumnutzungsplan ist dringend notwendig, damit die Dorfbevölkerung der Armut entkommen und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen wie Wälder, Sümpfe und Flüsse managen und bewahren kann. Interdisziplinäre Teams untersuchen das gesamte Dorfterritorium und legen gemeinsam mit den Dorfbewohner:innen fest, welche Flächen welchen Nutzungsformen zugeführt werden können, ohne dass die Nutzung Schäden verursacht. Die Nutzungen reichen von absoluten Schutzzonen, über Zonen, die nur kulturell genutzt werden dürfen, bis hin zu Zonen für Tourismus, Siedlungen, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft usw. Das Ziel sind starke Gemeinwesen, in denen das Leben gelingen kann, ohne dass diese Entwicklung auf Kosten der Natur umgesetzt wird.
Auf Grundlage der Dorfverfassung, dem gesicherten Territorium und der festgelegten Raumnutzung entwickelt die Dorfgemeinschaft einen eigenen Plan für nachhaltige Entwicklung, den so genannten „Plan de Vida Plena.“ Das ist die Grundlage der künftigen Entwicklung des Dorfes, in ihm legt die Gemeinschaft ihre eigenen Entwicklungsziele selbst fest. Das ermöglicht eine ökonomische Entwicklung, die die Interessen und Bedürfnisse der Dorfbevölkerung vor der Einflussnahme und Ausbeutung durch Außenstehende schützt. Die Menschen können der Armut entkommen und sich individuell entfalten, gleichzeitig aber ihre kollektive Identität und Selbstbestimmung schützen und die Natur als Lebensgrundlage auch für kommende Generationen bewahren.
Unser Team vor Ort begleitet die Gemeinschaft dabei, kollektive ökonomische Entwicklung durch konkrete Projekte zu gestalten, die nach Kriterien der ökologischen Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Wir finanzieren die Maßnahmen und Projekte, die helfen, den Dorfentwicklungsplan umzusetzen. Hierzu zählen z.B. Imkerei, Kunsthandwerk, Tourismus u.a. Wir vermitteln technische und berufliche Fähigkeiten und verbessern den Marktzugang. Das ermöglicht eine in der Kultur und Ökologie der Gemeinschaft und ihres Territoriums verwurzelte wirtschaftliche Entwicklung.
Garant der harmonischen Beziehung zwischen den Menschen und der Natur als Grundlage der ökonomischen Entwicklung und kollektiven Selbstbestimmung der Dorfgemeinschaft ist eine zeitgemäße indigene Identität und Weltanschauung. Nach jahrhundertelanger Ausgrenzung und Diskriminierung schämen sich viele Indigene für ihre Herkunft. Unsere Teams begleiten Jung und Alt dabei, die eigenen Wurzeln neu zu entdecken, traditionelles Wissen weiterzugeben, stolz auf die indigene Kultur zu sein und sich bewusst mit der eigenen Geschichte, vor allem aber mit der Kolonisierung auseinanderzusetzen. Voneinander erlernen sie alte Fähigkeiten neu oder geben ihnen eine aktuelle Bedeutung. Sie dokumentieren die Kultur und Geschichte ihres Volkes und gestalten ein Kulturzentrum als Zeichen ihres Widerstandes gegen Kolonisierung und Assimilierung. Hierdurch erhalten die Menschen ihre kulturelle Selbstbestimmung zurück und werden wieder zum Subjekt ihrer eigenen Geschichte. Das ist für das Überleben der Dörfer von großer Bedeutung.
Damit die Gemeinschaften ihre Angelegenheiten selbstständig gestalten können, vermitteln unsere Teams vor Ort Runde Tische zwischen den Dörfern und den Behörden. Das ist sehr effizient, weil die Gemeinschaften sich durch diesen fortdauernden Dialog bei den zuständigen staatlichen Stellen Gehör verschaffen können. Um diesen Prozess weiter auszubauen, stärken wir indigene Dachverbände, denn sie machen die einzelnen Dorfgemeinschaften stark und sind ein ernstzunehmender Verhandlungspartner für den Staat. Ziel und Traum der Menschen ist es, als indigene Nation anerkannt zu werden und so weitergehende Autonomierechte einfordern zu können.
Schau dir unsere weiteren Projekte an
Indigene Völker sind seit Jahrhunderten Opfer von Kolonisation und Völkermord. Die überlebenden Dorfgemeinschaften brauchen unsere Solidarität.
Frauen sind von Ungerechtigkeit und Armut überproportional betroffen. Ohne sie ist nachhaltige Entwicklung unmöglich.